Rede von Nadine Geist (Bündnis90/Die Grünen)
vor der Solmser Stadtverordnetenversammlung am 26.09.2023
Sehr geehrte Damen und Herren,
unsere Fraktion hat in den letzten zwei Jahren einigen Bauvorhaben zugestimmt, obwohl auch in Mittelbiel wertvoller Ackerboden und in Oberbiel eine schützenswerte Obstbaumwiese für immer verloren geht. Auch die Entscheidung für die Mehrfamilienhäuser an der Stelle des alten Baumbestandes am Park an der Bahnhofsallee / Brückenstraße in Burgsolms war ein schwieriger Kompromiss. Leichter fiel die Zustimmung, als es um die Neugestaltung des alten Schneider Industriegeländes in Albshausen in eine Wohnbebauung ging. Denn ja, zusätzliche Wohnungen, Arztpraxen oder seniorengerechte Gebäude werden im Lahn-Dill-Gebiet benötigt und für Investoren lohnt sich auch diesen Zeiten noch der Neubau.
Es sollte jedoch inzwischen auch jedem bewusst sein, dass wir für das gesunde Leben unserer Familien in all diesen Wohngebieten auch eine gesunde Umgebung brauchen.
Wir brauchen Erholungsräume – das betroffene Gebiet wird von vielen Familien aktiv zur Erholung genutzt, das wird an den Einsprüchen der Menschen sehr deutlich
Wir brauchen landwirtschaftliche Flächen – hier handelt es sich um landwirtschaftliche Fläche mit mittlerem und hohem Ertragspotential (der Fachdienst Landwirtschaft und Forsten weist darauf hin, dass zwei Haupterwerbsbetriebe kritisch betroffen sind).
Wir brauchen dieses Kaltluftentstehungsgebiet, das den derzeit angrenzenden Teil des Dorfes mit frischer Kaltluft versorgt. Eine so enge Bebauung führt zu einer erkennbaren Erwärmung dieses angrenzenden Bereiches bei steigenden Sommertemperaturen. Ursprünglich hatte der Regionalplan hier auch ein Vorranggebiet „Regionaler Grünzug“ und teilweise einem Vorbehaltsgebiet für besondere Klimafunktionen auch vorgesehen.
Wir brauchen unversiegelte Naturflächen, damit bei Starkregenereignissen das Regenwasser gefahrlos versickern kann. Ein deutlicher Kritikpunkt ist, dass die Starkregenanalyse nicht abgewartet wurde.
Wir brauchen ein sicheres, nicht überlastetes Verkehrsnetz, damit wir sicher zur Arbeit und die Kinder sicher zur Schule kommen. Durch dieses Bauvorhaben, bei dem mindestens 100 neue Wohneinheiten an einem derzeit schon kritischen Verkehrsbereich entstehen, kommt es, insbesondere in der Bauphase zu einer erheblichen Mehrbelastung mit zunehmender Gefährdung des Schulweges der Grundschulkinder.
Natürlich brauchen wir auch bestäubende Insekten, damit wir Obst, Getreide und Gemüse in unseren Gärten ernten können. Noch gibt in Solms diesen, hier zur Diskussion stehenden ökologisch leistungsfähigen, bedeutsamen Naturraum, wo noch viele seltene wichtige Arten, wie Haselmäuse, 37 Tagfalterarten oder Buntspechte vorkommen. Alle Naturschutzverbände Lahn/Dill und Wetzlar lehnen das Vorhaben an dieser Örtlichkeit ab. Dieser geschützte Lebensraum von besonders hohem Wert (FFH-Code 6510) würde gem. Schreiben der Naturschutzverbände HGON und BUND vom 10.02.2023 durch eine Bebauung, auch in etwas verkleinerter Variante, zerstört werden. Ein wert- und flächenmäßiger Eingriffs-Ausgleich wäre nicht möglich
Wir sind unseren Kindern und Enkelkindern verpflichtet, bei jeder Flächenversiegelung genau abzuwägen. Daher unterstützen wir die hier zahlreich vorliegenden Einwände unser Bürger, der unteren Naturschutzbehörde, aller Naturschutzverbände Lahn-Dill und Wetzlar und des Fachdienstes für Landwirtschaft und Forsten – ja es gibt durchaus viele Einwände - und werden, im Gegensatz zu den zuerst genannten Baumaßnahmen, einem Baugebiet an dieser Stelle nicht zustimmen.
Zusätzlicher Hinweis, der nicht zur Rede gehört (Quelle: eMail vom 29.09.2023, 13:21 Uhr):
Bezüglich Wohnraum in Solms möchte ich auch nochmal auf das ehemalige
Schneider-Industriegelände im Laubacher Weg im Stadtteil Albhausen
hinweisen, für das im letzten Jahr schon mal eine Wohnbebauung im
Stadtparlament angesprochen wurde. Es gab eine entsprechende Änderung
des Flächennutzungsplanes der Stadt Solms für den Bereich „Grube
Laubach" (Umwandlung des bestehenden Gewerbegebietes in ein allgemeines
Wohngebiet). Hier könnte reichlich Wohnraum auf einer ungenutzten
Industrie-Brachfläche entstehen statt einer Versiegelung eines
wertvollen Natur- und Erholungsraums. Der Bürgermeister hat darauf
hingewiesen, dass sich für das Gelände zunächst kein Investor gefunden
hat, es nicht der Stadt gehört und es dort aufwändiger wäre zu bauen /
umzugestalten auch weil Altlasten ggf. entsorgt werden müssten - die
"grüne Wiese" zu bebauen ist eben einfacher. Aber vielleicht ist der
Hinweis, dass es eben doch auch andere Möglichkeiten in Solms gibt, an
der ein oder anderen Stelle hilfreich? Solange grüne Wiesen im
Außenbereich mit "Schlossblick" zur Verfügung stehen, lohnt es sich für
Investoren eben oft nicht schon (teil)-versiegelte Flächen
umzugestalten.